Herbert Grönemeyers Song "Gebt den Kindern das Kommando" fordert programmatisch, Kindern die Macht zu (über)geben. In literarischen Texten findet man dieses Motiv als Kinderrepublik in vielgestaltiger Form wieder. Zum einen in Robinsonaden, zum anderen in utopischen bzw. dystopisch ausgestalteten Texten. Charakteristisch steht in deren Mittelpunkt oftmals eine sich selbst überlassene Kindergruppe (oder Kinderbande) mit typisierten Charakteren. Die Handlung folgt oftmals der Organisation des (Über)lebens in einer Welt, die fernab vom Regelwerk der Erwachsenen inszeniert wird. Rollenverteilungen und Arbeitsbereiche der 'normalen' Welt werden indes oftmals imitiert oder konterkariert. Eines der bekanntesten Beispiele ist William Goldings Herr der Fliegen (1954), legendär die antiautoritär-anarchistisch ausgerichtete Geschichte Die grüne Wolkevon A. S. Neill (EA: 1938; dt.: 1971). Darüber hinaus sind Autor*innen wie Lisa Tetzner, Mira Lobe oder Henry Winterfeld von diesem Motiv inspiriert.  Medialisierte Fortschreibungen finden sich in der aktuellen Kinder- und Jugendliteratur des 21. Jahrhunderts u.a. bei Andreas Schlüter und Suzanne Collins. 

Das Seminar beschäftigt sich mit literaturtheoretischen Fragen zu Robinsonaden, Utopie bzw. Dystopie ebenso wie mit Fragen der Kindheitsforschung. Bedeutet das Motiv der Kinderrepublik die Inszenierung eines Kindheitstraums oder vielmehr eine pädagogisch gestimmte Versuchsanordnung? Das Seminar bezieht darüber hinaus auch Modelle von real inszenierten und umgesetzten Kinderrepubliken mit ein.