Lachen über Behinderungen und Lachen über behinderte Menschen ist ein Thema, seit es kulturelle Zeugnisse über Lachen einerseits und über behinderte Menschen andererseits gibt. Bereits in den antiken Theorien der Komik und des Lachens spielt die Verknüpfung dieser Themen eine Rolle. Recherchiert man heute beispielsweise im Internet oder auch in der wenigen Literatur, die es zu diesem Thema gibt, dann steht meistens die normative Frage im Vordergrund: "Darf man über Behinderung/behinderte Menschen lachen?". Die Frage, warum denn Behinderungen eigentlich komisch sein können, ob sie in irgend einem Sinne anders komisch sind als andere Sachen, die wir komisch finden - diese Frage wird in der Regel nicht gestellt. Es wäre aber auch für den ethischen Aspekt der Sache nützlich, zunächst einmal diese Frage nach der Komik im Allgemeinen und der Komik von Behinderung im Besonderen zu stellen. Was ist überhaupt Komik? Was kann an Behinderungen komisch sein?

Der französische Philosoph Henri Bergson hat in diesem Zusammenhang eine interessante Komik-Theorie vorgeschlagen. Er vertritt die These, dass alles, was wir komisch finden, mit Behinderungen in einem weiten Sinn zu tun haben - Hindernissen, die sich unseren Handlungen, Verhaltensweisen, unserer Spontanität, unseren Lebensprozessen entgegenstellen und sie auf eigentümliche Weise verändern. Wenn das so wäre, wäre es nicht verwunderlich, dass auch Behinderungen im engeren Sinne ("disabilities") komisch sein können, aber natürlich nicht müssen.

Wir werden uns in dem Seminar a) anhand einer genauen Lektüre von Bergsons Schrift über "Das Lachen" mit seiner und mit verwandten Komiktheorien auseinandersetzen; b) sie auf das Thema Behinderungen anwenden und vor allem c) an Beispielen (Videos, Texten, Bildern, Karikaturen) komisches Material analysieren. Dabei geht es darum herauszufinden: warum wird über Komisches gelacht, was macht Komik im Einzelfall aus? Aber auch: wann kippt Komik in Abwertung, Ausgrenzung, ja Gewalt um und warum ist Komik strukturell in der Gefahr, dass das passien kann? Wir werden aber auch die ethischen Fragen diskutieren und vor allem auch dem Thema des Zusammenhangs von Lachen/Komik und Gewalt nachgehen. Auch das ist nämlich eine Implikation der Komiktheorie Henri Bergsons. 

Bereitschaft zur Lektüre und Beteiligung an Analyse von konkreten Beispielen ist zwingend.

Literatur:  
-Henri Bergson: Das Lachen. Hamburg (Meiner) 2011
- Claudia Gottwald: Lachen über das Andere. Eine historische Analyse komischer Repräsentationen von Behinderung. Bielefeld (Transcript) 2009.
-  Jörg Michael Kastl: Komik und Behinderung. In: Susanne Hartwig (Hrsg.): Behinderung. Kulturwissenschaftliches Handbuch. Stuttgart (Metzler) 2021
- Klaus E. Müller: Der Krüppel. Ethnologia passionis humanae. München (Beck) 1996